So manch einer Kältegegend hat der Künstler schon getrotzt: bei der Durchquerung der Alpen in einer Nacht, beim Besuch einer Landschaft vor dem Winter und auch, leise erschreckend, bei deren Auftauen im Frühling. Für Angst vor Unterkühlung bestand indes nie ein Grund – auch diesmal nicht, wenn den Besucher unter dezidiert winterlichem Titel ein erneut verführerisch glattes Ensemble aus Lackgemälden empfängt.
Mit seiner neuesten Werkgruppe, die ein Dutzend Autolacktafeln im Format von 143 x 130 cm umfasst, befördert Markus Weggenmann (*1953 in Singen, lebt und arbeitet in Zürich und Berlin) den Betrachter in eine oszillierende Welt, die regiert wird von Farbe und Form. Erstere ist heftig und bunt, affirmativ und konkret; dennoch lässt sich ihrer kaum habhaft werden, denn trotz spezifischer Rezeptur und wiederkehrender Vorlieben – etwa für die Kombination von hellem Giftgrün, Eisblau und Rot oder aufheizendem Orange und Grün – entzieht sie sich in ihrer Abmischung weitgehend der Benennbarkeit. Auch konkurriert sie mit der Beschaffenheit der Bildoberfläche, unter die sie, obwohl mit ihr eins, zurückgedrängt scheint. Kein Eintauchen erlaubt, doch zum Glück auch kein Ausgleiten und Durchbrechen. Weggenmanns bildnerische Realität verlangt nach anderem Halt. Zur Farbe gehört die Form und zur Form die Bewegung. Letztere, und damit auch die Form, erscheint im Vergleich zu früheren Bildfolgen intensiviert, als wolle sich der Künstler über den Malakt seines Daseins vergewissern. Hier grüne und grünblaue Kringel auf Nachtschwarz, dunkel und abgründig wie Schwarzeis. Dort, etwas weiter weg, lichtet sich der Eindruck: Schlaufen in kräftigem Blau auf goldfarbenem Grund. Schliesslich verschlungene Spuren in schmelzendem Rot auf metallisch perlendem Hellgrau; Bewegung und Rhythmus wirken befreit. Weggenmanns Formenwelt ist tanzend ins Kreisen geraten und erschliesst – im Paarlauf mit den Wirkungsweisen der Farbe – unter der planen Bildfläche eine im Kontext des Gesamtwerks überraschende Räumlichkeit. Betrachtet man etwa die amorphen, auf orangefarbenen Grund gesetzten Pinselstriche in Blau und Weiss, so gehen diese ein werbendes Formenspiel ein, bei dem mal das innere, mal das äussere Element obsiegt und Stillstand unmöglich scheint; vom Bildrand beschnitten, will zudem gerade das äussere Band die Existenz weiterer Bänder andeuten, die, Farbwolken gleich, aus der Bildtiefe aufsteigen, an der Fläche gestoppt werden und seitlich entweichen. Noch deutlicher ist der Effekt im benachbarten Bild, dessen Fläche mit Kreisen, Ovalen und Ellipsenhälften bedeckt ist. Kaleidoskopisch drängt der Bildraum sowohl zur Seite als auch nach Vorne und Hinten ins Nichts, ad infinitum. Als „Ausblicke ins Unbekannte, als ob man durch einen Spalt im Spiegel in eine Welt hinter dem Spiegel schauen könnte“, beschrieb der Künstler seine Malerei einmal vor bald einem Jahrzehnt. Der Spalt, dies zeigen nicht zuletzt die Arbeiten mit den konzentrisch angelegten, einander zugeneigten Kreisgruppen vor weissem Grund, hat sich geweitet und öffnet den Blick auf eine Malerei im Dialog mit sich selbst.
Lässt man sich auf diesen Dialog ein, so gehen Mal- und Sehakt alsbald ineinander über und binden den Betrachter in die Bewegung ein. Unbändig, vital und expansiv tritt einem Weggenmanns Bildwelt entgegen und bildet in ihrer engen Hängung einen farbgewaltigen Kontrapunkt zur gegenüberliegenden weissen Wand. Die Präsentation gleicht jener der frühesten Streifenbilder, mit denen sich der Künstler zu Beginn der 1990er Jahre auch in den Niederlanden einen Namen schuf; die Erinnerung an die einst manuell aufgetragenen Pigmentschichten hingegen ist fern angesichts dieser in mehreren Bearbeitungsschritten von (fast) allem Malerischen befreiten Malerei. Es ist ein distanzierter, analytischer und im Grunde auch ironischer Blick, den Weggenmann auf sein Medium richtet und der sich seit Ende der 1990er Jahre auch in der Machart der Bilder niederschlägt. Gestische, zeitweise organisch wirkende Pinselsetzungen traten damals anstelle des Streifenmotivs und bilden bis heute das zentrale Bildvokabular. Kleinformatige Gouache-Entwürfe, in DIN A3 stapelweise zu Papier gebracht, liegen den Arbeiten zugrunde. Den Malprozess allzu deutlich offenlegend, werden sie indes nach sorgfältiger Motivauswahl eingescannt und digital bearbeitet, was typischerweise die Löschung jeglicher Binnenstruktur, die teilweise (doch bewusst unvollständige) Begradigung der Konturen, die Überlagerung von Motiven sowie Korrekturen in der Farbgebung umfasst. Der letzte und vielleicht wichtigste Schritt geschieht mit dem Blow-up, der Umsetzung ins Grossformat, die stets durch fremde Hand, als Auftrag an einen Spezialisten, erfolgt. Das Endprodukt, das trotz Absage an den Originalbegriff im konventionellen Sinn stets ein Unikat bleibt, besticht durch seine industriell perfekte, von jeglichem Pinselduktus befreite Erscheinung, in der – und dies ist nicht nur eine der Paradoxien, sondern auch eine der Qualitäten von Weggenmanns Malerei – die Handschrift des Künstlers letztlich dennoch klar lesbar bleibt.- Astrid Näff, Zürich, 2. Januar 2008